Adolf Schreyer

Gefeierter Orientmaler und Beherrscher des Pariser Salons


Adolf Schreyer wurde 1828 in Frankfurt als Kind wohlhabender Eltern geboren. Der Vater war Weinhändler. Im Alter von 15 Jahren, konnte der junge Schreyer das Städelsche Kunstinstitut, damals noch in der Mainzer Straße, besuchen und unter dem Genremaler Jakob Becker und dem Historienmaler Johann David Passavant studieren. Mit Jacob Maurer (1826-1887), Ernst Schalck (1827-1865) und Peter Becker (1828-1904) arbeitete Adolf Schreyer zusammen in einem Schüleratelier. Etwa zur gleichen Zeit waren auch Anton Burger (1824-1905), Philipp Rumpf (1821-1896), Victor Müller (1829-1871) und Otto Scholderer (1834-1902) am Städelschen Kunstinstitut, mit denen er zeitlebens freundschaftlich verbunden blieb. Während der Frankfurter Lehrjahre besuchte Schreyer auch die Stuttgarter und Münchner Akademie.
Das Hauptinteresse des jungen Künstlers galt den Pferden, die er auf den Reitbahnen und Gestüten bewundern und vor Ort zeichnen konnte. Bereits in jungen Jahren finanzierte er seinen Lebensunterhalt mit Pferdedarstellungen für reiche Auftraggeber.

Der Tod seines Vaters im Jahr 1848 ließ Adolf Schreyer in die Heimat zurückkehren. Es war die Zeit der revolutionären Unruhen, in denen in Frankfurt berittene österreichische, preußische und bayerische Truppen stationiert waren. Der Künstler konnte zum ersten Mal militärisches Leben mit eigenen Augen sehen. Soldaten in unterschiedlichen Uniformen marschierten durch Frankfurts Straßen, stürmten Barrikaden und kämpften gegen die Aufständischen. Wenig später bot der Badische Aufstand (1848/49) dem Schlachtenmaler weitere Motive für großformatige militärische Werke, die insbesondere in adeligen und militärischen Kreisen Aufsehen erregten und Absatz fanden.

Aufgrund seiner Begeisterung am Soldatenleben schloss sich Adolf Schreyer der österreichischen Okkupationsarmee an, mit der er während des Krimkrieges (1853-1856) durch die Donaufürstentümer zog. Da Österreich in der Zeit nicht aktiv am Krieg beteiligt war, konnte der Künstler an allen militärischen Erkundungszügen teilnehmen und ein abenteuerliches Leben führen. Im Lager lernte er den kunstliebenden Oberst Fürst Emmerich von Thurn und Taxis kennen, mit dem er sich anfreundete.

Adolf Schreyer war kein Kriegsmaler, der die Schlachten aus historischen Gründen dokumentierte, sondern er arbeitete aus eigenem künstlerischem Antrieb. Die langsamen Märsche gaben ihm die Gelegenheit, Land und Leute aus Ungarn, Galizien, Rumänien, Russland oder der Türkei kennenzulernen und festzuhalten. Die Skizzen bildeten die Grundlage für viele, später im Atelier entstandene, großformatige Schlachtenszenen mit walachischen Pferden.

Während dieser Zeit besuchte Adolf Schreyer auch Wien und lernte 1855 Erzherzogin Sophie, die Mutter von Kaiser Franz Josef, kennen. Sie war von seiner Kunst begeistert und beschenkte ihren Sohn mit seinen Gemälden. Auch ein Porträt von Kaiserin Elisabeth wurde in Auftrag gegeben.

Ende 1857 kehrte Adolf Schreyer wieder nach Frankfurt zurück, wo er zwei Jahre später Johanna Maria Andreae (1837-1921) heiratete, die einer alten wohlhabenden Frankfurter Banken- und Industriellenfamilie entstammte. Ihre Eltern waren nicht erfreut über diese Heirat mit einem Künstler. Die Sommermonate verbrachte das junge Paar in Kronberg, im Haus des Gärtners Müller, in der Doppesstraße 17. In dem Taunusstädtchen traf er die befreundeten Studien- und Künstlerkollegen aus Frankfurt wieder. Jakob Fürchtegott Dielmann bezeichnete er als seinen Lehrmeister.

Den unternehmungslustigen Künstler zog es nach Paris, das er vom Besuch der Weltausstellung 1857, bereits kannte. Anfangs 1860 ließ er sich in der französischen Hauptstadt nieder und erlebte dort die rauschende Schlussepoche des zweiten Kaiserreiches. Paris hatte Rom als Kunstmetropole abgelöst und von überall her kamen Künstler angereist, um die neuen künstlerischen Ausdrucksweisen mit eigenen Augen zu sehen. Besonderes Aufsehen erregte Gustave Courbet (1819-1877), der Begründer der realistischen Strömung in der Malerei des 19. Jahrhunderts. In Paris lernte Adolf Schreyer auch die Landschaftsmaler der Künstlerkolonie Barbizon kennen.

Von Paris aus reiste Adolf Schreyer mehrfach nach Nordafrika, wo er Algerien und andere Gebiete der französischen Kolonien durchstreifte. Araber in farbigen Gewändern und mit ihren feurigen Pferden, bestimmten fortan seine Malerei. Mit den orientalischen Motiven, ausgelöst durch die napoleonischen Eroberungen dort, traf Schreyer weit über Paris hinaus den Nerv der Zeit. Die exotischen Szenen erfreuten sich großer Beliebtheit, wurden im Pariser Salon gezeigt und mit Goldmedaillen prämiert. Große Anerkennung erhielt er auch, als Napoleon III. eines seiner Gemälde erwarb und im Palais du Luxembourg ausstellte. In zeitgenössischen, französischen Zeitungen wurde Adolf Schreyer nun als der „Beherrscher des Pariser Salons“ bezeichnet.

Seine Gemälde fanden auch in Amerika großen Gefallen und erzielten weit höhere Preise. Es gehörte zum guten Ruf, einen „Schreyer“ im Salon hängen zu haben. Noch heute befinden sich zahlreiche Gemälde des Künstlers im amerikanischen Privatbesitz oder in dortigen Museen.

Durch die enormen Einnahmen konnte sich Adolf Schreyer ein fürstliches Leben leisten. Das kinderlose Ehepaar bewohnte ein luxuriöses Appartement im Hotel du Rhin, an der Place Vendôme gelegen, das aus mehreren ineinander gehenden Salons bestand. Einer davon diente ihm als Atelier. Gäste waren willkommen und wurden großzügig bewirtet. Ein Wagen stand dem Maler stets zur Verfügung. „Nach Arbeitsschluss am Nachmittag liebte es Schreyer, vor Tisch mit dem Gast in den Bois zu fahren. Dort wurde der Wagen verlassen. Das eine Mal ging man in einer der Hauptalleen spazieren oder setzte sich gemütlich auf die dort üblichen Stühle, um die Pferde, Wagen und eleganten Damen zu sehen, ein anderes Mal führte er einen auf eine reizvoll im See gelegene Insel, zu der man im Boot übersetzte, oder schließlich zu dem an der Porte de Sèvres gelegenen Poloplatz, um die Reiterkünste zu bewundern.“

Der Ausbruch des deutsch-französischen Krieges 1870 zwang Adolf Schreyer, Paris zu verlassen. Er übersiedelte nach Kronberg, wo er zunächst im Gasthaus zum Frankfurter Hof wohnte. 1872 erwarb das Ehepaar eine Villa in der Hainstraße 11. Während des Krieges hatten die Schreyers in den Räumlichkeiten ein Offizierslazarett eingerichtet. Die preußische Kronprinzessin Victoria besuchte das Lazarett und beschenkte die Gattin des Malers mit einer selbst geschaffenen aquarellierten Porträt-Zeichnung. Mary Schreyer wurde wegen ihrer humanitären Hilfe als Präsidentin des Roten Kreuzes mit dem Eisernen Kreuz ausgezeichnet. Als Kaiserin Friedrich (1840-1901) ab 1894 in Kronberg in ihrem Witwensitz Schloss Friedrichshof lebte, pflegte sie weiterhin freundschaftlichen Kontakt mit dem Ehepaar.     

Nach Beendigung des Krieges lebten die Schreyers fortan die Wintermonate in Paris und die Sommermonate in Kronberg. Während dieser Zeit herrschte reges Leben in der Schreyer-Villa. Unter den zahlreichen Besuchern waren auch fürstliche Gäste. Die Königin von Rumänien, die unter dem Pseudonym Carmen Silva Gedichte schrieb, las diese im kleinen Kreis vor. Aus München kam Otto von Faber du Faur (1828-1901) mit seiner Familie. Adolf Schreyer holte sie im Zweispänner vom Bahnhof ab. Von dem befreundeten Maler wurde er als ein „sorgfältig gekleideter Herr mit der Perlennadel in der Krawatte, einem mit Seide ausgeschlagenen Überzieher, einem mächtigen Kopf mit den sorgfältig in Rollen gebrannten Locken“, beschrieben.  Mit dem Künstlerkollegen Norbert Schrödl (1842-1912), der in der stattlichen Villa in der nahen Hainstraße 17 wohnte, war er befreundet.

Während sich die Kronberger Malerkollegen ihre Motive im idyllischen Taunusstädtchen und in der Umgebung suchten, konzentrierte sich Adolf Schreyer fast ausschließlich auf seine zahlreichen, exotischen Reiseeindrücke, wobei er auf eine Vielzahl von Skizzenbüchern zurückgreifen konnte. Im Garten hatte er eine Gruppe von Felsen aufgebaut, die mit Farn bewachsen waren, und so einem Miniaturgebirge glichen. Außerdem besaß der Künstler kleine Modelle von Wagen, bewegliche Holzpferde und kleine menschliche Figuren, die ihm als Hilfsmittel für seine Gemälde dienten, indem er sie auf den kleinen Gebirgspfad setzte oder sie herunterfallen ließ.

Mit seinen walachischen und orientalischen Reiterszenen beeinflusste Adolf Schreyer die beiden jüngeren Kronberger Maler Emil Rumpf (1860-1948) und Heinrich Winter (1843-1911), die seine Schüler wurden. Emil Rumpf, der Sohn von Philipp Rumpf (1821-1896), einem der Begründer der Malerkolonie, und Heinrich Winter teilten mit ihrem Meister die Vorliebe für Pferde. Heinrich Winter malte auch Militärszenen. Durch Adolf Schreyer angeregt, besuchte er Paris und bereiste Ungarn.

Adolf Schreyers Gemälde wurden erfolgreich in allen größeren Ausstellungen im In- und Ausland gezeigt. Ehrungen erfuhr der Künstler nun auch in seiner Heimat. Das „Freie Deutsche Hochstift“ in Frankfurt ernannte ihn 1865 zum „Ehrenmitglied“. Eine Goldmedaille erhielt er im Münchner Glaspalast. Die Stadt Kronberg verlieh ihm im Jahr 1895 die Ehrenbürgerwürde.

Die letzten drei Jahre seines Lebens verbrachte der unter Herzbeschwerden leidende Künstler nur noch in der Heimat. 1899 starb Adolf Schreyer im 71. Lebensjahr in Kronberg. Das stattliche Grabdenkmal auf dem Friedhof in der Frankfurter Straße trägt die Inschrift: „Sucht mich nicht hier, suchet mich in euren Herzen“.

Im Todesjahr 1899 veranstaltete die Nationalgalerie in Berlin eine Gedächtnisausstellung mit etwa 150 Werken des Künstlers. Sein Nachlass wurde 1922, ein Jahr nach dem Tod seiner Frau Mary, im Auktionshaus Rudolf Bangel in Frankfurt erfolgreich versteigert. Das Frankfurter Städel und auch die Alte Pinakothek in München haben Werke von dem Künstler erworben.  

Nach dem Tod von Mary Schreyer wohnte Marie Friedenberg, die Tochter des Kronberger Malers Professor Wilhelm Friedenberg, in der Villa und vermietete Fremdenzimmer. Sie war mit Mary Schreyer eng befreundet und lebte schon zu deren Lebzeiten im Hause. Nach Marie Friedenbergs Tod wurde von kunstsinnigen Kronberger Bürgern angeregt, das Anwesen von der Stadt zu erwerben und in ein Kunstmuseum umzugestalten. Auch der Vorschlag, eine Gedenktafel anzubringen, ist umgesetzt worden. Die ehemals elegante Villa mit glanzvoller Vergangenheit wurde 1969 abgerissen.

Über seine Werke hinaus bleibt Kronbergs großer Künstler und Ehrenbürger Adolf Schreyer durch die Benennung einer Straße in Erinnerung. Zum 100. Todesjahr 1999 veranstaltete die Museumsgesellschaft Kronberg eine retrospektive Ausstellung zum Gedenken an den heute weitgehend unbekannten Künstler, die die Autorin kuratiert hat.

                                                                                              Monika Öchsner