Die Kronberger Malerkolonie
Mitte des 19. Jahrhunderts ließen sich die ersten Künstler im idyllischen Taunusstädtchen nieder und begründeten die Kronberger Malerkolonie. Anton Burger, Jakob Fürchtegott Dielmann und Philipp Rumpf zogen weitere Künstler an. Mehr als vierzig Maler sind es im Laufe der Zeit gewesen, die über einen längeren Zeitraum in Kronberg verweilten.
Warum haben sich die Maler gerade in Kronberg angesiedelt, es gibt doch noch viele andere schöne Taunusorte? Auf diese Frage hat Anna Spier 1894 eine treffende Antwort gefunden, als sie den Taunus und Kronberg beschrieb: „Alle Verhältnisse in diesen Bergen tragen das Mass der Idylle: Genuss ohne Gefahr, Stille ohne Einsamkeit, Ländlichkeit ohne Weltabgeschiedenheit, ein gelobtes Stück Land, in welchem sich das Elend, das auch in seinen Dörfern in den Winkeln steckt, nicht in den Vordergrund drängt, sich nicht zur Tragik steigert – das ist der Taunus! – Im Schutze eines Berghügels liegt Cronberg, so malerisch, so kunstgerecht seinem Vordergrund angefügt und angehörig, dass es als Bild gesehen kaum eine Regel der Kompositionslehre verletzt. Die Wiesen steigen terrassenförmig aus der Ebene zu dem unregelmäßigen Häuser- und Gassengewirr des Dorfes auf, das von einer Burg überragt wird.“
Bis heute hat Kronberg seinen malerischen Charakter bewahrt. Vom beliebtesten Malerwinkel aus – nahe dem Opelzoo – blickt man auf die charakteristische Burg-Silhouette, die entsprechend der atmosphärischen Stimmung im Wechsel der Tages- oder Jahreszeiten ihr Aussehen verändert: weißgepudert erscheint sie im Winter, geheimnisvoll bei Nebel, in orangefarbenes Licht getaucht bei Sonnenaufgang und bei strahlend-blauem Himmel öffnet sich der Blick nach Süden in die Mainebene bis nach Frankfurt.
Und dort im etwa 20 km entfernten Frankfurt beginnt die Geschichte der Kronberger Malerkolonie. Denn die Künstler der ersten Generation sind alle hier geboren und aufgewachsen und studierten am Städelschen Kunstinstitut. Die akademischen Zwänge und der Lehrstoff entsprachen jedoch nicht ihren Vorstellungen. Sie wollten keine Historienmalerei mit formvollendeten Kompositionen und feinen Pinselstrichen malen, sondern das, was sie tagtäglich umgab – die einfachen Menschen bei der Arbeit oder beim Feiern. Die heimische Landschaft hatte so viele reizvolle Winkel zu bieten, dass sie nichts erfinden oder in die Ferne ziehen mussten. In Jakob Becker (1810-1872) fanden sie schließlich einen Lehrer, der die Genre- und Landschaftsmalerei von der Düsseldorfer Akademie mit ans Städel brachte und der rückwärtsgewandten, schwärmerisch-religiösen Malerei der Nazarener entgegensetzte.
Im nahen Kronberg fanden die jungen Genre- und Landschaftsmaler die besten Voraussetzungen, ihre Ideen umzusetzen. Schon seit den 1840er Jahren zog es Maler während der Sommermonate in das Burgstädtchen. Der lange und beschwerliche Weg dorthin und der Wunsch ganzjährig vor Ort malen zu können, veranlasste einige Maler sich ab 1858, in dem ‚Malernest‘, wie es genannt wurde, niederzulassen. Sie flohen aus Frankfurt, das sich durch die industrielle Revolution immer mehr veränderte. Die Sehnsucht nach einer ursprünglichen und unverdorbenen Natur ließ die Künstler auf das Land ziehen. Aber auch ganz pragmatische Gründe, wie das günstigere und ruhigere Leben spielten eine Rolle. Mit den einheimischen Handwerkern oder Obstbauern hatten die Maler guten Kontakt. Gerne ließen sie sich in ihrem Alltagsleben malen oder standen Modell für einen Jäger oder Räuber. Blühende Obstbäume, ein Kastanienhain, von Bächen durchzogene Wiesen, Wälder und Anhöhen des Taunus, das waren die Motive der Landschaftsmaler.
Zentraler Treffpunkt der Künstler in Kronberg war die Gaststätte zum „Adler“. Hier wurden nicht nur künstlerische Erfahrungen ausgetauscht, sondern auch Feste gefeiert, Theater gespielt und natürlich auch gezecht. Ihren „Olymp“, wie sie den Ballsaal nannten, haben die Künstler mit Bildern, direkt auf die Wände gemalt, geschmückt und damit vielleicht so manche Zeche beglichen. Das Wirtshausschild zierte ein Doppeladler, der in seinen Krallen nicht Reichsapfel und Szepter hielt, sondern Pinsel und Palette. Im Dachgeschoss waren bescheidene Unterkünfte für die jungen Maler vorhanden. Ihre Bilder verkauften sich gut und schon bald konnten sie in bürgerlichen Wohnungen oder Häusern und einige sogar in stattlichen Villen wohnen.
Anton Burgers (1824-1905) Ansiedlung in Kronberg im Jahr 1855 wird mit der Begründung der Malerkolonie gleichgesetzt. Er war der bekannteste Künstler und die zentrale Gestalt der Kronberger Malerkolonie. Als einziger leitete er eine Malschule, die gerne von Künstlerinnen besucht wurde, da diese an den Akademien lange nicht zugelassen wurden. Der „König von Kronberg“, wie Burger von seinen Schülern genannt wurde, hatte oft ein ganzes Gefolge von „Malweibern“ um sich, wenn er mit ihnen auf Motivsuche durch Kronberg zog.
Jacob Fürchtegott Dielmann (1809-1885) war der Älteste der Kronberger Maler. Im Gegensatz zu Burger war er ein zurückhaltender Mensch und Maler. An seinen kleinformatigen Bildern, mit biedermeierlich anmutenden dörflichen Szenen, malte er oft lange, bis er mit dem Ergebnis zufrieden war, während Burger mit schnellen Pinselstrichen ein Gemälde vollendete. Der heimliche Lehrer der Kronberger Künstler malte lange vor den Impressionisten sonnendurchfluteten Bilder mit lockerem Pinselstrich und hellen Farben.
Sehr beliebt waren die innigen Mutter-Kind-Motive von Philipp Rumpf (1821-1896). Unter seinen sieben Töchtern fand der Künstler immer ein attraktives Modell. Als Porträtist der Herzogin von Nassau, konnte er sich weitere Bildnisaufträge sichern.
Unter den Landschaftsmalern ist Peter Burnitz (1824-1886) hervorzuheben. Durch seine Aufenthalte in Paris und Barbizon, der Mutter aller Künstlerkolonien, hat er neue Impuls für die Landschaftsmalerei mit nach Kronberg gebracht. In der Folge malte er einfache, unspektakuläre Landschaftsausschnitte, in denen der Mensch eine untergeordnete Rolle spielt. Seine ‚intimen Landschaften’ mit einfachen Wald- oder Wiesenstücken, Felsformationen oder Baumstümpfen, in silbriggrünen bis braunen Farbentönen, entstanden direkt vor dem Motiv in der freien Natur. Das Publikum jedoch lehnte seine Freilichtmalerei lange als „schmutzig“ ab.
In den 1870er Jahren änderte sich der dörfliche Charakter Kronbergs. Wohlhabende Frankfurter Familien entdeckten nun ebenfalls die Vorzüge des Landlebens und errichteten ihre Sommerhäuser und Villen um den Altstadtkern. Mit dem Bau der Bahn 1874 war das Taunusstädtchen nun auch einfacher von Frankfurt aus zu erreichen. In dieser Zeit siedelten sich Maler in Kronberg an, die weniger ländliche Abgeschiedenheit, als die höhere Kronberger Gesellschaft, als potente Auftraggeber- und Käuferschicht, suchten. Mit Norbert Schrödl kam 1887 ein bereits bekannter Porträtmaler für großbürgerliche und adelige Kreise nach Kronberg. Die prachtvolle Villa des „Malerfürsten“ ist noch heute in der Hainstraße zu bestaunen.
Mit Kaiserin Friedrich (1840-1901), eigentlich Victoria von Preußen, Witwe von Kaiser Friedrich III. und Mutter von Kaiser Wilhelm II., entwickelte sich Kronberg zum kleinen Residenzstädtchen. Norbert Schrödl (1842-1912) war mit der talentierten fürstlichen Malerin befreundet. Er half bei der Suche nach einem geeigneten Bauplatz für ihren Witwensitz Schloss Friedrichshof, unterstützte sie in restauratorischen Fragen und gab ihr Malunterricht.
Eines der bedeutendsten Kronberger Historienbilder schuf Ferdinand Brütt (1849-1936) mit der „Aufbahrung von Kaiserin Friedrich in der Johanneskirche“ in ihrem Sterbejahr 1901. Der Künstler kann in die Reihe der bekannten impressionistischen Maler wie Max Liebermann, Max Slevogt oder Lovis Corinth gestellt werden.
Der Schülergeneration von Anton Burger gehörten Philipp Franck oder Fritz Wucherer an. Gegen den starken Einfluss des Lehrers, der korrigierend in die Schülerarbeiten eingriff und erst zufrieden war, wenn kleine „Burger“ herauskamen, lehnte sich insbesondere der in Frankfurt gebürtige Philipp Franck (1860-1944) auf. Er befürchtete zu „verburgern“ und zog in die Fremde. In Berlin erlangte er den Professorentitel und genoss großes Ansehen als Direktor der königlichen Kunstschule und gehörte zu den Begründern der Berliner Secession. Der „Maler zwischen Taunus und Wannsee“ kehrte im Alter in die Heimat zurück.
Fritz Wucherer (1873-1848) sah – ungeachtet der aktuellen Malerei, seine künstlerischen Vorstellungen in der Landschaftsmalerei von Barbizon verwirklicht. „Kunstrichtungen wie Naturalismus, Expressionismus, Kubismus berühren mich gar nicht. Ich habe sie bewusst abgelehnt… Als Richtlinie gilt nur das Schöne und Gesunde: ohne Ideale scheint mir die Kunst nicht denkbar“, so Fritz Wucherer. Der aus Basel kommende Künstler hat die Burgstadt auf zahlreichen stimmungsvollen Bildern in allen Jahreszeiten festgehalten. Mit Fritz Wucherer starb 1948 der letzte Künstler der Kronberger Malerkolonie.
Aber auch heute noch begegnet man Künstler an den bekannten Malerwinkeln, die sich, wie Georgi Takev (1952) die Tradition der Kronberger Malerkolonie stellen.
Wo kann man Werke der Kronberger Maler sehen?
Im Kronberger Malerkolonie Museum in der ehemaligen Villa Winter in Kronberg zeigt die Museumsgesellschaft Kronberg e.V. in zwei historischen Räumen ihre wachsende Sammlung. Zudem gibt es regelmäßig Sonderausstellungen zum Thema Malerkolonien.
Das Museum Giersch der Goethe-Universität veranstaltet bemerkenswerte Ausstellungen und Retrospektiven die Kronberger Maler beinhalten. Die größte Sammlung Frankfurter-Kronberger Maler hat das Städelsche Kunstinstitut in Frankfurt. Doch nur die wenigsten Bilder sind in der ständigen Ausstellung zu sehen. Auch das Museum Wiesbaden besitzt zahlreiche Werke rund um die Kronberger Malerkolonie. Erwähnenswert ist die umfangreiche Sammlung an Werken von Louis Eysen. Im November 2020 wird die Schenkung von Jan und Friedericke Baechle gezeigt, die viele Werke von Kronberger Malern umfasst.
Monika Öchsner
Veranstaltung zum Thema Kronberger Malerkolonie:
26.7.2020, um 14.00 Uhr:
Auf den Spuren von Kaiserin Friedrich. Spaziergang durch Kronberg
Treffpunkt ist der Recepturhof in der Friedrich-Ebert-Str. 6.